Prof. Dr. Michael Witthöft, Universität Mainz
Körperliche Beschwerden repräsentieren weltweit den häufigsten initialen Behandlungsanlass für Menschen mit psychischen Störungen. Gleichzeitig gelten chronische Körperbeschwerden nach wie vor als schwer erklärbar und schwer behandelbar. Dieser unbefriedigende Status quo basiert u.a. auf einem mangelnden Verständnis zentraler Mechanismen des körperlichen Beschwerdeerlebens und einem nach wie vor dominierenden biomedizinischen Krankheitsmodell. Aktuelle Erkenntnisse aus dem Bereich der Interozeptionsforschung legen eine enge Verbindung aus affektiven, kognitiven, sensorischen und motivationalen Informationsverarbeitungsprozessen nahe. Diese Erkenntnisse münden in ein hypothetisches perzeptuelles Modell des körperlichen Beschwerdeerlebens (basierend auf dem Prinzip des predictive codings und der Bayesian-Brain-Hypothese), das neue Vorhersagen bezüglich zentraler Determinanten und die Ableitung gezielter innovativer Interventionsmöglichkeiten erlaubt.